Dieses Buch frisst sich durch die Seele. Evil ist kein Roman, den man „mal eben liest“. Es ist ein literarisches Trauma. Ein Abgrund in Buchform. Und ich meine das im besten – und gleichzeitig schlimmsten – Sinne. Kaum ein Werk hat mich je so verstört, so angewidert, so sprachlos zurückgelassen wie dieses.
Ich habe das Buch an einem Tag verschlungen. Und ich wünschte, ich könnte sagen: „Es war ein Genuss.“ Doch Evil ist kein Genuss. Es ist eine Zumutung. Eine Prüfung. Eine Grenzerfahrung.
Vom harmlosen Beginn ins Grauen
Anfangs wirkt Evil fast unscheinbar. Ich fragte mich: Wann geht es los? Doch diese trügerische Ruhe ist Kalkül. Sie lullt ein – nur um dich mit voller Wucht in den moralischen Abgrund zu schleudern. Als es losgeht, brennt sich jede Seite ein wie ein heißes Eisen. Und je weiter man liest, desto tiefer geht der Schmerz.
Was Jack Ketchum hier erzählt, basiert auf einem wahren Fall. Und genau das macht es so entsetzlich real. Keine Fiktion kann so wehtun wie die Wahrheit.
Kinder – Spiegel einer kaputten Welt
Was mich am meisten erschüttert hat: Die Täter sind Kinder. Jugendliche. Menschen, die noch formbar sein sollten – und stattdessen grausamer handeln als viele Erwachsene. Evil zeigt mit brutaler Ehrlichkeit: Das Böse hat kein Alter. Nur Gelegenheiten. Und wenn niemand hinsieht – oder noch schlimmer: aktiv mitmacht –, wird aus Unschuld blanker Sadismus.
Ich habe beim Lesen Menschen gehasst. Auf eine Weise, wie ich es beim Lesen kaum je zuvor getan habe. Und das ist vielleicht die stärkste literarische Leistung dieses Romans: Er fühlt sich nicht nur an wie ein Horror. Er ist einer.
Ein Blick auf den Autor – Jack Ketchum
Jack Ketchum, mit bürgerlichem Namen Dallas Mayr, gilt als einer der kompromisslosesten Autoren des modernen Horrors. Sein Stil ist direkt, brutal, oft schwer auszuhalten – aber niemals um des Schocks willen. In Werken wie Beutezeit, Wahnsinn, The Girl Next Door (Originaltitel von Evil) oder Lebendig zeigt er immer wieder, wie dünn der Lack der Zivilisation wirklich ist.
Stephen King bezeichnete ihn nicht umsonst als „den furchteinflößendsten Autor Amerikas“. Und das spürt man. Bei jeder Zeile.
Fazit: Lesen? Ja. Wenn du es aushältst.
Evil ist kein Buch für jeden. Aber es ist ein Buch, das jeder lesen sollte, der sich traut, hinzuschauen. Ketchum reißt den moralischen Teppich weg – und zeigt, was darunter fault.
Literarisch stark. Inhaltlich kaum zu ertragen. Emotional vernichtend. Härter als die meisten Bücher, brutaler als die meisten Filme, und erschreckender als alles, was du in der Belletristik erwarten würdest.
📚 Buchverstand sagt: Lies es, wenn du den Mut hast. Aber sei dir bewusst – du wirst nach Evil nicht mehr dieselbe Leserin oder derselbe Leser sein. ★★★★★